Erst schaut es so aus, als ob diese Wanderetappe unter keinem guten Stern steht: Bei meiner Losfahrt in München ist der eigentlich erst für den Abend angekündigte Regen schon bereits da und auch die Fahrt Richtung Osten mit dem Isar-Donau-Express bringt nicht die erhoffte Flucht vor den Regenwolken. Dann stehe ich in Osterhofen im nasskalten Wetter und warte auf einen Bus nach Hofkirchen, den es offensichtlich nur als Fata Morgana in der DB App gibt. Also nehme ich den nächsten Zug nach Vilshofen und steige dort in Bus, so dass es schließlich schon früher Nachmittag ist, als ich zur Fortsetzung meiner Wanderung endlich an der Donau ankomme.
Doch mit einem Mal ist der ganze Blues weggeblasen. Die Wolken reißen auf und statt im Regen kann ich meine Wanderung unter einem blauen Himmel und in richtig mildem Wetter beginnen. Ausgangspunkt ist die Pfarrkirche von Hofkirchen, wo die freundliche Pfarramtsmitarbeiterin mir auf Nachfrage den eigentlich vergriffenen Kirchenführer zur Geschichte des “Doms des Donautals” hinterlegt hat. Von dort geht es an das Tor der Flutschutzanlage von Hofkirchen, von wo aus ich donauaufwärts bis ans Ortsende gehe. Hier führt der Weg dann auf den die Donau begleitenden Damm - eine Wandersituation, wie ich sie an der niederbayerischen Isar immer wieder vorgefunden habe und die mir positiv in Erinnerung geblieben ist, schließlich bietet sich von der Dammkrone nicht nur ein schöner Blick auf den Fluß sondern auch immer wieder weite Aussichten ins Hinterland.
Hier vor Hofkirchen prägt zum einen die in einer weiten Ebene breite Schleifen ziehende, immer wieder von ehemaligen Altarmen umgebene Donau das Bild. Aber auch verschiedene Bauwerke in den Ufergebieten, die aus der Ferne meinen Blick anziehen. Als erstes ist dies ein mittelalterlicher Rundturm kurz nach dem Ortsende von Hofkirchen. Da ich nichts von einer Burganlage in dieser Gegend weiß, konsultiere ich Google und erfahre, dass es sich 1. um einen Bestandteil einer nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten Soldatenfriedhofsanlage handelt und dass dieser 2. wegen der fehlenden Differenzierung zwischen den dort bestatteten ausländischen Kriegsopfern, deutschen Wehrmachtssoldaten und NS-Tätern in der Kritik steht - unter anderem sind dort mindestens 369 SS-Mitglieder begraben. Einen Abstecher zu der Anlage zu machen, hatte ich ohnehin nicht vor und diese Informationen erhöhen meine Lust dazu erst recht nicht!
Weiter führt der Donauwanderweg an ausgedehnten Feldern entlang, hinter denen in der Ferne das typisch niederbayerisch aussehende Dorf Neßlbach grüßt. Und schon überquere ich auch den namensgebenden, schmalen Neßlbach. Kurz danach komme ich an einem in den 1950er Jahren errichteten Pumpwerk vorbei, wie mir heute noch einige begegnen werden. Wenn ich es richtig verstehe, haben die Anlagen die Aufgabe, das Wasseraufkommen diesseits und jenseits des Donaudamms im Gleichgewicht zu halten. So kann bei Bedarf aus dem Bayerischen Wald heranfließendes Hochwasser in die Donau gepumpt werden und umgekehrt Donauhochwasser in als Überschwemmungsgebiete vorgesehene Uferwiesen abgeleitet werden. Auch wenn das sicherlich alles andere als natürlich ist, scheint dahinter doch ein recht gut durchdachtes System zu stecken, das die Lebensgeister der Donau zu stark einschränkt. Denn anders als bei den Staustufen rund um Passau fließt der Strom hier munter in Richtung Schwarzmeer.
Weiter geht es auf dem Damm eine breite Flußschleife entlang, von der sich auch weite Blicke in die Landschaft auf dem gegenüberliegenden Ufer bieten. Dabei kommt auch wieder Kloster Osterhofen in Sicht, in dessen Nähe ich noch zwei Stunden zuvor im Regen fror und das nun einladend über die Donau grüßt. Als sich die Flußbiegung zu Ende neigt und in eine S-förmige Kurve übergeht, bietet sich bereits ein erster Blick auf mein heutiges Etappenziel, die Ortschaft Winzer. Doch noch sind die Häuser in weiter Ferne und stehen einige weitere Kilometer vor mir. Je näher ich Winzer komme, um so urwüchsiger wird die Uferlandschaft auf meine Seite. Altarme, Tümpel, von umgestürzten Bäumen und winterkahlem Gestrüpp bestandene Weiden und überall dazwischen verschiedene Wildvogelkolonien - unter anderem Gänse, Störche, Schwäne und Enten aller Art.
Dann weckt eine kleine, noch vor Winzer gelegene Ortschaft mein Interesse. Dort gibt es sowohl eine offensichtlich aus der Industrialisierungszeit stammende Fabrikanlage mit hohen Ziegelschornstein wie auch eine kleine Schlossanlage mit integriertem Kapellenbau. Es handelt sich dabei zum einen um das in dem Örtchen Flintsbach gelegene Ziegel und Kalk Museum, das in historischen Gebäuden über die Ziegel- und Kalkherstellung in der Gegend informiert. Und die kleine Schlossanlage ist ein bis ins 13. Jahrhundert zurückgehender ehemaliger Amtssitz des donauaufwärts gelegenen Klosters Niederaltaich. Beides wäre durchaus interessant, doch angesichts der schon etwas fortgeschrittenen Zeit setze ich mich meinen Weg zügig in Richtung Winzer fort.
Nach einer weiteren breiten Wiese erreiche ich dann schließlich den Ortsbeginn, der - in dieser Reihenfolge - von einer Hundeschule, der Kläranlage und dann dem großzügig dimensionierten Milchwerk der Genossenschaft Bayerische Milchindustrie gekennzeichnet wird. Da die Milchfabrik fast bis ans Donauufer reicht, muss ich mich für die letzten Meter noch einmal ins schlammige Ufergestrüpp schlagen und bin zumindest erleichtert, dass ich mich gerade weit außerhalb der sommerlichen Mückensaison befinde.
Schließlich erreiche ich den von einer Flutsperre geschützten Zugang zum Ortskern von Winzer und finde mich in einem recht schmucken Städtchen wieder. Neben einer schönen, ursprünglich aus der Zeit um 1400 stammenden, nach Zerstörung aber im 19. Jahrhundert in klassizistischer Bauweise neu errichteten Pfarrkirche, gibt es dort die sorgfältig renovierten Gebäude der einst für den Ort prägenden Korbwarenfabrik sowie den fein herausgeputzten, ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammenden Gasthof zur Post, der heute aber leider geschlossen hat. Doch das macht nichts, da das gegenüberliegende Bäckereicafé geöffnet hat - in Orten dieser Größe keine Selbstverständlichkeit - und ich mir dort die Zeit bis zum nächsten Bus im Warmen und bei einer Tasse Kaffee vertreiben kann.
Schließlich ist es Zeit für die Rückfahrt nach Vilshofen. Als ich einige Minuten später dort ankomme, hat sich der Himmel wieder zugezogen und erste Regentropfen fallen. Um ins Trockene zu kommen, aber auch um meinen vorerst letzten Aufenthalt im mir recht sympathisch gewordenen Vilshofen zu begehen, kehre ich noch einmal in das Wirtshaus Wolferstetterbräu ein. Bei Bier und Backhendlsalat erhole ich mich von den Wandermühen, während es draußen vor dem Fenster über dem Stadtplatz dunkel wird. In der urigen Gaststube mit Blick auf die nur sanft beleuchteten Altstadtfassaden habe ich einmal mehr das Gefühl, dass Vilshofen auf angenehme Weise ein bisschen in der Vergangenheit hängengeblieben ist und genieße das wohlige winterliche Wirtshausgefühl, bevor es dann zum Zug und wieder auf die Heimfahrt nach München geht.